Prolog

Einige Zeit stand sie bereits auf der ToDo-Liste, dieses Frühjahr war es nun soweit: Die „Tour du Ciel“ im Schweizer Wallis – eine winterliche Mehrtagestour der Sonderklasse! Vom Startpunkt Zermatt ziehen die Etappen dabei parallel zum Mattertal und bewegen sich durchwegs auf über 2.500m Seehöhe. Die Hütten liegen zwischen 2.500-3.000m, der höchste Punkt der Tour – das Bishorn – liegt immerhin auf 4.153m.

Die Bedingungen waren im frühen April 2017 trotz geringer Schneemengen grandios und mehr als ausreichend. Unverständlicherweise war in der Karwoche so gut wie nichts los und wir haben kaum Leute am Weg getroffen. Auch die Hütten waren halbleer und somit die Wirte überaus freundlich. Das Wetter bescherte uns dank Hoch sieben perfekte Tage mit jeweils über 8 Sonnenstunden. Besser geht’s nicht auf der Tour du Ciel!

Besonders angenehm finde ich die einfach Logistik dieser Tour, da Start- und Zielpunkt im selben Tal liegen. Wir haben in St. Niklaus geparkt, sind mit dem Zug nach Zermatt gefahren (ca. 45min, ohne umsteigen) und am Ende wieder beim Startpunkt raus gekommen. Einfacher geht’s nicht.  

Tag1: Aufstieg Schönbielhütte

Der erste Tag ist ein lockerer Einstieg in das, was noch kommt. Anreise nach Zermatt und hoch zur Schönbielhütte. Entweder aus eigener Kraft, oder – so wie wir – mit Seilbahnunterstützung (2017: CHF 32,–) bis zur Station Schwarzsee, einigen Höhenmetern Abfahrt durchs Skigebiet und gemütlichem Aufstieg zur Hütte. Die Schönbielhütte liegt übrigens auf der bekannten Haute Route – insofern ist eine Reservierung zu empfehlen.

Tag2: Schönbielhütte – Mont Durand – Cab. Du Mountet

Von der Hütte geht es einige Meter steil hinunter auf die Moräne, die wir östlich bis P.2426 entlang rutschen. Nun schlängelt sich die Aufstiegsroute abenteuerlich durch die Felsen – sichere Spitzkehrentechnik und Harscheisen sind obligatorisch. Über den weiten Gletscher geht es Richtung Mont Durand, das wir besteigen. Dabei sind die letzten Meter in der Wand und am darauffolgenden, unschwierigen Grat ohne Ski zu bewältigen. Vom Skidepot führt die nordseitige Abfahrt über den Galcier Durand direkt zur Cab. Du Mountet.

Tag3: Cab. Du Mountet – Blanc de Moming – Cab. D’Arpitetta – Col de Milon – Cab. De Tracuit

Der heutige Tag ist die Crux der Tour: Entweder über die vermeintlich leichte, nördliche „Bogen-Route“ auf den Blanc de Moming oder über die Flanke und den scharfen Firngrat zum selben Punkt. Aufgrund der guten Bedingungen entscheiden wir uns für letzteres. Unser Versuch, den Grat bereits früher via Direttissima durch die Felsen zu erreichen scheitert mangels Unterlage. Also direkt zum Grat, Ski auf die Rucksäcke und vorsichtig ein Schritt vor den nächsten. Bei Wind und für gleichgewichts-schwache Personen ist dieser Grat definitiv nicht zu empfehlen!

Den Dôme ersparen wir uns zugunsten einer zügigen Abfahrt, die uns eindrucksvoll durch den Gletscher führt. Der Hatscher zur Cab. D’Arpitetta zieht sich aufgrund der zahlreichen Moränen ordentlich in die Länge und zehrt an Kraft und Motivation. Bei der Hütte stärken wir uns und erfahren vom Wirt, dass die Originalroute über das Col de Milon nicht zu empfehlen ist. Er empfiehlt einen Durchschlupf etwas östlich davon – ein Rat, den wir gerne befolgen. Via P.2733 fahren wir zu P.2794 ab und fellen erneut auf. Der letzte Anstieg zur Cab. De Tracuit erfordert dann die letzten Kraftreserven – denn insbesondere auf den letzten 250 Höhenmetern knallt die Sonne unbarmherzig in den Südwesthang. Die Hütte selbst ist ein moderner Neubau, der keine Wünsche offen lässt und viel Komfort bietet.

Tag4: Cab. De Tracuit – Bishorn – Tete de Milon – Cab. De Tracuit – Turtmannhütte

Mit leichtem Gepäck marschieren wir auf das Bishorn (der einzige 4.000er auf der Tour du Ciel), einem wirklich tollen Skiberg. Wir haben Glück, denn die Bedingungen sind gut auf diesem ansonsten stürmischen Berg. Für die letzten 20m sind Steigeisen und ggf. Pickel zu empfehlen. Wer noch Lust hat, kann nach der Abfahrt den Tete de Milon mitnehmen und kommt so in Genuss zusätzlicher Abfahrtsmeter.

Nachdem die Rucksäcke gepackt und die Wasservorräte bei der Hütte gefüllt sind folgen ca. 450 Abfahrtsmeter über den Turtmanngletscher.  Nach kurzem Aufstieg landen die Felle erneut im Rucksack und wir fahren durch den westlichen „Canyon“ bis unterhalb der Turtmannhütte. 250 HM Aufstieg bis zur sonnigen Terrasse, wo gekühlte (oder wärmende Getränke) bereits auf die Gäste warten…

Tag5: Turtmannhütte – Brunegghorn – Turtmannhütte

Bei einer Mehrtagestour tut ein Relax-Tag gut und genau ein solcher steht heute am Programm. Für uns heißt das, mit leichten Rucksäcken 1.450hm aufs Brunegghorn zu gehen. Wir wählen dabei das „Gässi“, eine ca.  80hm, 40+° steile Rinne, die mit Steigeisen zu begehen ist. Am Fels befindet sich ein Stahlseil, welches nur im Sommer hilfreich ist. Nach dem Gässi schlängelt sich der Weg zum flachen Bruneggletscher, der sich ordentlich in die Länge zieht.

Gegen Ende wird es endlich spannend und wir gelangen etwas steiler hoch zum vereisten Joch unterhalb des Gipfelaufbaus. Vom Skidepot geht es mit Steigeisen und Stöcken zum Gipfel auf 3.833m – mit grandioser Rundumsicht. Zum Gipfel führen auch alte Skispuren – bei den heutigen (stellenweise blanken) Verhältnissen allerdings keine gute Idee. Die Abfahrt fühlt sich super an und wir folgen erneut der Spur vom Vortag, die uns durch den Canyon bis unterhalb der Hütte lotst. Wer möchte, kann sich im Bach eine Dusche können und den Schweiz der letzten Tage abwaschen – bevor es auf die Hütte geht.

Tag6: Turtmannhütte – P.3050 – P.3220 – Wasuhorn – St. Niklaus

Alles hat ein Ende – aber was für eines: Durchs schattige Pipjitälli (ja, das heißt wirklich so!) geht’s mit kurzer Tragepassage im Steilgelände über den/die/das Längi Egga hoch zum Joch bei P.3050. Auf 200 HM Abfahrt folgt erneut ein Aufstieg nördlich vorbei am Stellihorn zu P.3220. Der Weg zum Woche wirkt von unten kaum machbar (Felsgelände) und erweist sich vor Ort gutmütiger als es den Anschein macht. Ein früher Einstieg macht trotzdem Sinn, denn zu späterer Stunde möchte ich nicht in diesem Steinschlaggelände sein. Auf Fellen queren wir Richtung Wasuhorn – dem letzten Gipfel der Tour. Der obere Teil ist abgeblasen – macht aber nichts. Wir genießen ein letztes Mal den 360°-Blick auf die nahen Walliser 4.000er.

Wir wählen eine direkte Abfahrtsroute durch die breite Nordrinne – genial! Wir rauschen durchs darauffolgende, flache Gelände des Jungtals bis ans Ende des Schnees auf ca. 2.350m bei einer kleinen Schleusenmauer. Über den aperen Sommerweg erreichen wir in einer knappen Stunde das kuschelige St. Niklaus und entspannen in der Sonne bis uns eine winzige Gondel für schlappe 12 Franken knieschonend zurück in die Zivilisation bringt. Tipp: Vorab Fahrzeiten (fährt nicht durchgehend!) und Telefonnummer der Seilbahn erfragen!

Fazit

Eine lässige Geschichte von A-Z, bei der es nichts besser zu machen gibt! Wer weniger Zeit hat kann das Brunegghorn weglassen oder am Weg von der Tracuit-Hütte zur Turtmannhütte mitnehmen. Das wird gerne gemacht – insbesondere, wenn die Route umgedreht wird. Dann kommen an diesem Tag allerdings ganz schön viele Höhenmeter zusammen. Die einfache Logistik, die netten Hütten und tollen Routen machen diese Tour zu einer super Alternative zur bekannten Haute Route. Die Tour du Ciel erfordert jedoch insgesamt mehr „Commitment“, Kondition und Technik.

Übrigens verläuft die „Haute Route Imperiale“ über weite Strecken gleich wie die Tour du Ciel.