Dem Mythos auf der Spur: Die Haute Route!

Prolog

Die meisten SkitourengeherInnen träumen davon, sie irgendwann im Leben zu machen. Ich durfte sie im letzten grandiosen Winter führen: Die Schweizer Haute Route! Wie es uns dabei gegangen ist lest ihr hier. 

Allgemeines

Haute Routes gibt es dank diverser Marketingfachleute wie Sand am Meer bzw. Schnee im Gebirge. Die ursprüngliche Strecke startet in Chamonix und endet in Zermatt. Die meisten Seilschaften beginnen die Tour mittlerweile in Argentiere. Primär gibt es dann zwei Routenverläufe: 

  • via Verbier, mit Liftunterstützung (unsere Route)
  • via Bourg-St.Pierre, ohne Liftunterstützung

Beiden gemeinsam ist, dass weniger die Gipfel, sondern die Gesamtstrecke bzw. das Gesamterlebnis im Vordergrund stehen. Die Haute Route beinhaltet zahlreiche mehr-oder-weniger spannende Ãœbergänge, viel Distanz und auf Wunsch zahlreiche Varianten bzw. Möglichkeiten, die Höhenmeter auszubauen. Wer mehr Gipfel möchte hängt einfach eine Nacht an einem Ort zusätzlich an – voila. 

Unsere Route gehört zu den ambitionierteren Varianten, dafür nächtigen wir öfter komfortabel im Tal, nutzen Seilbahnen, machen viele Höhenmeter sowie Streckenkilometer und viele Abfahrten. Die Tage sind lang und ergiebig. Wer später in der Saison unterwegs ist trifft auf weniger Menschen, dafür besteht bei den Abfahrten ein gewisses Schneerisiko. Wir erwischen es Ende April/Anfang Mai 2019 perfekt. 

Anreise

Die Anreise gestaltet sich wie überall in der Schweiz dank der hervorragenden öffentlichen Verkehrsverbindungen sehr einfach. Man hat eher die Qual der Wahl, wo das Auto geparkt wird (sofern man einen Teil der Strecke damit zurück legt). Wir entscheiden uns fürs Parken in Martigny direkt beim Bahnhof und der Weiterreise mit dem Zug nach Argentiere. Der große Vorteil der Öffis ist, dass wir stets flexibel bleiben und kurzfristig die Route ändern können. Einziger Wertmutstropfen ist das vergleichsweise teure Parken in der Schweiz und das (je nach Parkmöglichkeit) ggf. im voraus das Enddatum fixiert (und bezahlt) werden muss. Wer früher zurück kommt, zahlt somit zu viel. 

Ausrüstung

Für so eine Unternehmung ist die passende Ausrüstung essenziell. Von der Bekleidung, über die Kletter-Hartware (wie Pickel, Steigeisen, Gurt) bis zum Skitourenequipment. Insbesondere beim Thema Kleidung stellt sich oftmals die Frage: Softshell vs. Hardshell. Das eine bietet hohen Tragekomfort bei etwas weniger Wetterschutz. Die andere Variante überzeugt durch perfekten Schutz. Die Kollegen auf unterwegs.biz haben dazu einige Gedanken festgehalten, auf die ich an dieser Stelle verweisen möchte. 

1. Tag: Argentiere – Col du Chardonnet – Fenetre de Saleinaz – Col des Ecandies – Champex

Nach angenehmer Nacht direkt in Argentiere fahren wir mit der ersten Seilbahn hoch. Normalerweise wäre das die auf die Aiguille des Grands Montets. Da es dort in der Saison 18/19 gebrannt hat ist die Seilbahn leider geschlossen und wir müssen auf eine andere, die auf die Aiguille a Bochard ausweichen. Macht nicht viel – außer zusätzliche 300hm und etwas mehr Zeitverbrauch. 

Wir queren über P.2987 „Cabane“ auf den Glacier des Rognons und starten mit einer Pulverabfahrt auf den tiefer liegenden Glacier d’Argentiere. Normalerweise ist das Gelände verspurt – da die Seilbahn auf die Grands Montets geschlossen ist ziehen wir annähernd die first Lines. Was für ein Auftakt! Alternativ ließe sich übrigens auf dem Refuge d’Argentiere übernachten – eine Ãœbernachtung im Tal hat jedoch durchaus seinen Reiz…

Am Gletscher wird aufgefellt und anfangs etwas steiler Richtung Col du Chardonnet aufgestiegen. Für den unteren Teil sind sichere Lawinenverhältnisse Voraussetzung. Der Aufstieg ins Col ist technisch einfach, der Weg hinunter auf der anderen Seite stellt jedoch die erste Schlüsselstelle dar. Oben befindet sich ein Abseilstand und meist ist ein Fixseil vorhanden. Wir haben mit unserem 50er Seil die Personen mit angeschnallten Ski einzeln die volle Länge abgelassen. Der letzte fährt entweder frei ab oder seilt die halbe Seillänge ab. 

Es folgt die Querung des Glacier des Saleinaz bevor es an den nächsten Anstieg in die gleichnamige Fenetre geht. Es sind rund 100hm in ca. 40° Gelände zu bewältigen. Wir nutzen Steigeisen und Pickel. Auf der Rückseite betritt man praktisch direkt den flachen Gletscher und wir queren Richtung Cabane du Trient. auf der rechten Gletscherseite (von oben gesehen) fahren wir entlang der Felsen bis ca. 2.800m ab. Achtung: nicht zu weit von der Wand wegfahren, sonst verpasst man (insb. bei schlechter Sicht) den seilversicherten dritten Aufstieg ins Col des Ecandies! 

Die Abfahrt ins Val d’Arppette entschädigt für die Mühen und wir kommen mit den Ski direkt bis zur Lift-Station in Champex. Mit dem Taxi geht’s im Anschluss in rund 40min nach Verbier, wo der erste Tourentag im Hotel endet. 

2. Tag: Verbier – Col de la Chaux – Col de Momin – La Rosablanche – Lac des Dix – Cab. des Dix

Komfortabel gleiten wir mit der Seilbahn in die Höhe und spuren unserem ersten Etappenziel – dem Col de la Chaux – unschwierig entgegen. Dort angelangt lässt sich der lange Weiterweg Richtung Rosablanche bereits gut einsehen. Los geht’s mit einer Abfahrt zum See auf p.2763. Das Col de Momin ist ein flacher Ãœbergang, auf den eine lange Rampe hoch zur Rosablanche führt. Mangels Zeit lassen wir den Gipfel jedoch aus und gehen direkt zum Ãœbergang für die Ostabfahrt. Bei genügend Zeit wäre die Gipfelbesteigung inkl. Ãœberschreitung nach Südwesten und Abfahrt via Glacier de Mourti eine interessante Option. 

Das Ostcoloir ist dafür etwas steiler und endet ebenfalls auf der Hochebene La Barme oberhalb des Stausees. Wir haben Glück und können parallel zum See bis zu dessen Südufer abfahren, wodurch wir  uns einen langweiligen Hatscher entlang des Westufers ersparen. Der folgende Hüttenanstieg hat es mit 650hm nochmals ordentlich in sich. Hier bieten sich zwei Möglichkeiten: Entweder entlang der eingezeichneten Route im Tal mit Bogen ums Felsmassiv, auf dem die Hütte steht, oder westlicher bis p.2980 und in wenigen Schwüngen hinunter zur Cabane des Dix. Wir haben uns für erstere Variante entschieden (da die zweite nicht auf der Karte eingezeichnet ist) und würde nächstes Mal jedenfalls die zweite Variante machen!

3. Tag: Cab. des Dix – Mont Blanc de Cheilon – Arolla – Cab. des Vignettes

Gestartet wird mit der Abfahrt auf den Glacier de Cheilon unterhalb des gleichnamigen, gewaltigen 1.000-Meter-Felsbollwerks. Auf dessen linker Seite geht’s über den Gletscher hoch zum Col de la Serpentine, wo wir Materialdepot machen. Mit leichten Rucksäcken nähern wir uns der Ostflanke, wo wir auf ca. 3.600m Skidepot machen. Ab hier geht’s mit Steigeisen und Pickel steil hoch – nach ca. 70hm flacht die Rampe wieder ab und es kann mit Ski der östliche Wintergipfel des Mont Blanc de Cheilon erreicht werden. Dieser liegt lt. Karte 70m unterhalb des eigentlichen Hauptgipfels, was wir vor uns Ort gar nicht vorstellen können (der Hauptgipfel wirkt deutlich höher!). Die Abfahrt zum Skidepot macht ordentlich Spaß und ist leider viel zu schnell vorbei. 

Der Weiterweg verläuft nun in 99% der Fälle direkt über den schönen Aussichtsberg Pigne d’Arolla, von wo aus die Abfahrt zur Cabane des Vignettes folgt. Aufgrund der guten Bedingungen und vorhandenen Spuren entscheiden wir uns jedoch für die absolut lohnende Abfahrt über den Glacier de Tsijioue Nouve Richtung Arolla. Diese Route ist in der Karte nicht ausgewiesen und nur im letzten, steilen Teil etwas tricky. Vor allem wenn – wie bei uns – eine Altschnee-Lawine für unangenehme (weil harte) Konditionen sorgt. In der Mitte der Moräne fellen wir erneut auf und steigen in großem Bogen um den Louettes Econduoue herum, bevor wir die Rampe zur Cab. de Vignettes erreichen. Ãœber diese geht es dann mit 600hm rauf zur genial gelegenen Hütte. 

So wurde aus einem vermeintlich kurzen Tourentag doch noch ein längerer Tag mit absolut genialer Abfahrt!

4. Tag: Cab des Vignettes – Col de l’Eveque – Col du Mont Brule – Col de Valpelline – Col de la Tete Blanche – Les Hauderes

Der heutige Wetterbericht verspricht nach 3 Tagen Sonnenschein einen Wetterumschwung zu Mittag. Bereits zuvor haben wir uns gegen die Abfahrt nach Zermatt und stattdessen für die Abfahrt nach Les Hauderes entschieden. Diese ist wesentlich spannender, jedoch fällt man quasi um die Matterhorn-halb-Umrundung und Abfahrt nach Zermatt um. Beides macht uns nichts, denn die Variante nach Les Hauderes ist wesentlich lohnender!

Nach dem Frühstück fahren wir ein kurzes Stück ab, queren über das flache Col de Charmotane und steigen auf der gegenüberliegenden Seite zum Col de l’Eveque auf. Achtung: NICHT dazu verleiten lassen, die Rampe direkt rechts neben der L’Eveque aufzusteigen, denn dort kommt man nicht oder nur mit großer Mühe auf der anderen Seite runter. Nach dem Col del’Eveque folgt eine Abfahrt zum Haute Glacier d’Arolla, über den wir zum nächsten Ãœbergang gelangen. Hier werden die Ski auf den Rucksack geschnallt und ohne Steigeisen können wir die ca. 100hm hoch stapfen. Das Top des Col bietet perfekte Sicht auf den imposanten Dent d’Herens und Tiefblicke zum Rifugio Aosta. Schade, dass dieses im Winter nicht bewartet ist, denn dann würde sich die Besteigung des Dent d’Herens anbieten!

Die flache Wegstrecke über den Haute Glacier de Tsa de Tsan zum Col de Valpelline zieht sich dann nochmals in die Länge. Aufgrund des zuziehenden Wetters entscheiden wir uns gegen die Besteigung von Tete de Valpelline oder Tete Blanche, sondern steigen direkt Richtung Col de la Tete Blanche auf. Allerdings fehlen uns nur 80hm auf die Tete Blanche, somit tut uns die Entscheidung nicht weh. Rasch fellen wir ab und starten die unverspurte Abfahrt über den gewaltigen Glacier de Ferpecle. Vielen Routen führen hinunter, allerdings ist gute Sicht aufgrund der vielen Spaltenzonen sehr hilfreich. 

Am Ende des Gletschers können wir noch das große Gletschertor besichtigen, bevor es durch den kurzen, aber umso spannenderen Felscanyon geht. Glücklicherweise ist noch genügend Schnee vorhanden und so kommen wir gut durch den engen Schlurf. Danach weitet sich das Tal wieder und wir können über die Forststraße bis zur Staumauer bei Ferpecle abfahren. Ãœber die Straße und den Wanderweg gelangen wir in rund eineinhalb Stunden nach Les Hauderes, wo wir im Hotel Visivis die Traumtour nach einer heißen Dusche bei hervorragendem Essen ausklingen lassen. 

Am nächsten Tag nehmen wir den ersten Bus nach Sion, fahren mit der Bahn nach Martigny und treten mit dem Auto die Heimreise an. 

Fazit

Ãœber die Haute Route hört man vieles – auch viel Negatives! Ãœberfüllte Hütten, unspektakuläre Tourentage, schlechte Bedingungen. Wir hatten Wetter- und Schneemässig Glück und aufgrund der abwechslungsreichen Etappen eine imposante Tour, die uns lange in Erinnerung bleiben wird. Alles richtig gemacht – bis auf den Aufstieg zur Cab. de Dix, die ich das nächste Mal direkter machen würde. Danke Wallis!

Éjק

Region:   Wallis
Unterkünfte:   Hotels: Argentiere, Verbier, Les Hauderes
Cabane des Dix
Cabane des Vignettes
Höchster Punkt:   Mont Blanc de Cheilon Ostgipfel, 3.821m
Berge:   zahlreiche einfache und anspruchsvolle 3.000er. Mit  Gletscherkontakt.
Beste Zeit:   Ende Februar bis Anfang Mai

 

Etappen