Auftakt der Hochtouren-Saison: Ortler via Hintergrat & Meranerweg

Prolog

Mittlerweile ist es fast schon wieder so etwas wie eine Tradition, dass ich jedes Jahr Anfang Juli auf via Hintergrat den Ortler besteige. Dieses Jahr gab es insofern eine Veränderung, dass wir am Folgetag den Ortler nochmals via Meranerweg erklimmen. Wie das geklappt hat lest ihr hier…

Tour

Erster Tag: Anreise & Hüttenzustieg

Bereits bei der Anreise nach Sulden hebt sich die Urlaublaune spätestens ab dem Reschenpass deutlich. Beim Wahrzeichen des Sees – dem alten Kirchturm von Graun – tummeln sich die Touristen und wir erhaschen einen ersten Blick auf König Ortler im Hintergrund. Hätten wir vielleicht doch die Ski mitnehmen sollen?! J

Wir parken bei der Seilbahn nach dem Ortsende von Sulden und steigen über den Wandersteig inkl. Hängebrücke in nicht ganz 2 Stunden auf die Hintergrathütte. Gerade recht zum Abendessen und bevor uns die ersten Regentropfen erreichen. Empfehlung: Bratkartoffeln mit Spiegelei und Speck, dazu Vino Rosso. Mmmmh, lecker.

Zweiter Tag: Ortler via Hintergrat

Trotz des ausgezeichneten Wetterberichts fürs Wochenende machen sich nur wenige Aspiranten auf den Weg über den Hintergrat. Neben 4 Hike&Fly-Piloten, einer 2er sowie einer 4er Seilschaft sind wir die einzigen. Später am Tag werden wir noch von zwei Solo-Gehern überholt. Die Bedingungen sind hervorragend, die letzten Schneefälle liegen einige Zeit zurück und so zeigt sich der gesamte Grat schneefrei (bis auf die drei obligatorischen Wegstücke). Wir gehen es sehr gemütlich an, machen viele Pausen, haben unterhaltsame Begegnungen auf der Route und stehen nach einem frühen Frühstück um 11:00 am Gipfel. 

Nach der Gipfeljause steigen wir über den gut gespurten Normalweg ab. Bei der Biwakschachtel steigen wir direkt steil ab und sparen uns somit das Abseilen. Am Ende des Ortlerferners verlassen wir den klassischen Normalweg und steigen direkt in Falllinie ins Kar ab. Dabei haben wir einen guten Blick auf die Abkletterstelle vorm Ketten-Stück, wo es immer zu längeren Staus kommt. Unsere Abstiegsroute ist kein offizieller Weg sondern führt entlang der Skitourenroute. Das klappt im Sommer allerdings nur, so lange Schnee in der Flanke liegt – ansonsten ist es dort aufgrund des steilen Schuttgeländes zu gefährlich.

Berglhütte

Während des Abstiegs scheppert es schon ordentlich und man spürt deutlich a) wie klein der Mensch ist und b) das Gletscher tatsächlich ständig in Bewegung sind. Der Weiterweg ab der Mulde Richtung Berglhütte gestaltet sich im Geröll etwas mühsam – Wanderstöcke leisten in diesem weglosen Gelände gute Dienste! Um ca. 15:30 erreichen wir die Hütte und chillaxen auf der sonnigen Hüttenterrasse, wo sich ebenfalls nur wenige Menschen tummeln. Die Hütte selber ist heimelig und wird gut geführt. Das Essen der Halbpension ist ausgezeichnet (Gerstlsuppe – Pasta – Pastanachschlag – Kaiserschmarrn) und wir fallen müde in die weichen Betten.

Dritter Tag: Ortler via Meranerweg

Grande Finale: über den Meranerweg erneut auf den Ortler! Da die Berglhütte auf nur 2.200m liegt stehen heute 1.700 HM im Aufstieg sowie über 2.000 HM im Abstieg an. Dazu noch einige Gegenanstiege und technisch anspruchsvolles Terrain.

Nach dem Frühstück um 4 starten wir relativ bald und marschieren auf dem Wanderweg bis zum Wegweiser „Meranerweg“, wo wir rechts abzweigen. Der Weg wird steiler und schlängelt sich unterhalb einer Felswand nach oben. Bald erreichen wir den eigentlichen Grat und folgen weiter dem gut markierten Weg. Bereits hier zeigt sich, dass diese Tour definitiv nur für schwindelfreie und v.a. trittsichere GeherInnen geeignet ist. Seilsicherung wäre hier nur am kurzen Seil möglich. Später wechseln wir die Gratseite von links auf rechts und das Gelände wird noch deutlich ausgesetzter. Teilweise Schuttpfade auf abschüssigen Platten, darunter einige Hundert Meter senkrechte Felswand (die wir zum Glück nicht sehen). Hier möchte ich keinesfalls bei Nässe unterwegs sein!

Die Wegfindung ist dank roter Markierungspunkte, Steinmännchen sowie Begehungsspuren relativ gut – nur 2x versteigen wir uns einige Meter. Bald erreichen wir das erste seilversicherte Stück und es kommt ein wenig Klettersteig-Feeling auf. Das bedeutet auch das Ende der wirklich unangenehmen Passagen. Die Tour verläuft ab dann weiterhin sehr abwechslungsreich, aber gefühlt sicherer. Dort, wo es notwendig ist, sind die Passagen mittels Fixseil gesichert.

Die letzten Meter…

Nach ca. 2/3 Strecke sehen wir den letzten Felsaufschwung mit einer weiß-gelblichen Steintafel „Meranerweg“ am Einstieg. Wir folgen den (etwas lockeren) Stahlseilen und erreichen nach dem Ausstieg ein Gedenk-Kreuz. Im Anschluss warten eine (etwas zu kurze) Leiter und ein recht dünnes Stahlseil auf uns. Wenig später passieren wir einen markanten, senkrecht stehenden Holzpfahl. Von hier sind es noch ca. 100 HM bis zum Anseilplatz am Gletscher, wo ein Päuschen angebracht ist.

Am Anfang des Gletschers wird das Gelände bis 40° steil und ist im späteren Sommer sicherlich unangenehm (Blankeis). Heute sind die Bedingungen gut. Das Gelände wird flacher und geht in eine kesselartige Mulde über. Am Ende wird es nochmals kurz steiler, bevor wir auf den Normalweg stoßen. Heute stehen wir gut eine Stunde früher am Gipfel und genießen das wolkenlose, grandiose Panorama.

Über den Normalweg Abkletterstelle-Klettersteig-Payerhütte-Tabarettahütte steigen wir ab und folgen den Wegen 4&9 bis zum Ausgangspunkt – dem Parkplatz der Seilbahn Sulden, den wir um ca. 15 Uhr erreichen.

Fazit

Besser geht’s nicht: 2x innerhalb von 24 Stunden am Ortler – und das über unterschiedliche, technisch und konditionell fordernde Anstiege. Schön, dass es mit dem Meranerweg nun endlich geklappt hat. Der Hintergrat weist schwierigere Einzelstellen auf, wo jedoch ausgezeichnet an vorhandenen Haken gesichert werden kann. Am Meranerweg wird das Seil erst am Gletscher ausgepackt, bis dahin ist 100% Trittsicherheit erforderlich. Wer beide Touren hintereinander macht wird bei der Heimfahrt ziemlich müde sein…

Ich möchte nochmals betonen, dass bei Nässe von einer Begehung dringend abzuraten ist! Selbiges gilt für einen Abstieg über diesen Weg! Ebenfalls nicht zu empfehlen ist dieser Weg für Kinder und konditionell/technisch schwächere Personen!

Eckdaten

Region:   Ortlergruppe (Südtirol)
Start/Ziel:    Sulden, 1.900m
Höchster Punkt:   Ortler, 3.905m
Schwierigkeit:   Hochalpines Gletschergelände
Fels bis IV, Gletscher bis 40°
Beste Zeit:   Juni-September
Hütte(n):   Hintergrathütte
Berglhütte
Weitere Infos:   Hintergrat: Bergsteigen.com
Meranerweg: Tourentipp.de

 

GPS