Prolog

Die Skihochtourensaison ist eröffnet :-) Und wenn, dann gleich ordentlich – oder, wie die Vorarlberger sagen – „g’hörig“. In einer Spontanaktion ging’s mit Christian aus dem Raum München Samstagmorgen via Autoverlad Furka nach Fiesch. Geparkt wird am großen Parkplatz der Seilbahn und mit der Gondel geht’s komfortabel hoch zum Eggishorn, wo sich uns die grandiose Aletsch-Gletscherwelt eröffnet. Wow. Wahnsinn. Wie geil…

Mittelaletschbiwak

Wir fahren zum Tälligrat ab, wo wir die kommerzielle Skiarena verlassen und in die weiße Wildnis eintauchen. Den Aletschgletscher queren wir direkt auf Höhe der Seen direkt nach Westen und umgehen somit die unangenehme Spaltenzone, die sich weiter südlich befindet. Der Gletscher ist unerwartet gut eingeschneit, allerdings brennt die Sonne unbarmherzig auf uns. Wir halten uns immerzu westlich und erreichen schnell den Mittelaletschgletscher – quasi einen Geländeeinschnitt, in sich irgendwo noch ein Gletscherrest findet. Im Winter ist das nie so ganz eindeutig auszumachen…

Am Talende steilen die Hänge deutlich auf und wir entschließen uns Nordöstlich der vorhandenen Spur – also auf der rechten Hangseite – direkt zum Biwak aufzusteigen. Etwas anstrengender, aber die deutlich angenehmere Linie. Das Mittelaletschbiwak erreichen wir am Nachmittag gegen 16:00, was viel Sonne auf der Bank vor der Hütte bedeutet und wir in Ruhe unser Lager beziehen können. Das Biwak selbst bietet reichlich Platz, Schlafgelegenheiten, Decken sowie einen Tisch mit Stühlen im Zentrum. Von einer minimalistischen Blechbiwakbox a la Italien sind wir GAAAAAANZ weit entfernt. Im Lauf der nächsten Stunden trudeln noch eine Dreier- sowie eine Zweierseilschaft aus. Für mich zur Überraschung jeweils inkl. einer jungen Dame, was in Unterkünften dieser Art recht ungewöhnlich ist. Das spricht definitiv für die Schweizerinnen ;-)

Update: Durch eine Lawine wurde dieses Biwak mittlerweile leider zerstört und kann nicht mehr als Stützpunkt benutzt werden. Ob es wieder aufgebaut wird ist nach wie vor (Stand Juni 2022) ungewiss. 

Aletschjoch

Am nächsten Tag starten wir gegen 07:00 Uhr nach einer mittelprächtigen Nacht bei verhältnismäßig warmen Temperaturen. Normalerweise ist der Aufstieg zum Aletschhorn als eiskalte Tour bekannt. Heute merken wir nichts davon. Die ersten Höhenmeter laufen wir am Schnürchen bis es kurz unterhalb des Aletschjoch steil zur Sache geht. Der brettharte Hang verzeiht keine Fehler und wir erreichen erleichtert das Joch. Link und rechts pfeift es einige Hundert Meter in die Tiefe und vor uns läuft eine – man glaubt es kaum – Skispur über den Grat. Wax! Nun gut, wir entscheiden uns ohne Diskussion für Steigeisen und schnallen die Ski auf den Rucksack. Die ersten 20m ist etwas Balancieren angesagt – danach geht der horizontale Schneegrat in eine Flanke über, wo wir uns selbstbewusster entlang bewegen.

Aletschhorn 4.195m

Bald erreichen wir das Ende des Grats und satteln erneut auf Ski um. Vor uns erhebt sich eine weiß-blaue Wand und wir wissen, was das bedeutet: Soweit es geht mit Ski und wieder auf Steigeisen umbauen. Dieses Mal mit Pickel, denn das Gelände ist wirklich steil. Teilweise geht es über Blankeis ca. 100hm hoch zum Vorgipfel des Aletschhorn, den wir erleichtert erreichen. Angeblich ist diese Wand NUR 40° steil, was ich rückblickend gar nicht glauben kann, denn sie kam uns viel steiler vor. Wahrscheinlich auch aufgrund der harten Bedingungen. Einen interessanten Beitrag dazu gibt es LINK hier. Dürfte also nicht nur uns so gehen… Wie dem auch sei; hinter dem Vorgipfel erhebt sich nach einem kleinen Becken der Hauptgipfel – frontal mit einer Eiswand, seitlich ein Felsgrat. Vorsicht am Becken – hier befinden sich Spalten! Über den Felsgrat steigen wir seilfrei hoch und erreichen nach 20min den Hauptgipfel mit genialer Rundumsicht auf die Riesen des Berner Oberlands: Mönch, Jungfrau, Finsteraarhorn, Fiescherhörner und wie sie alle heißen. Ein Wahnsinn!

Abfahrt

Für den Retourweg wählen wir die Aufstiegsroute inkl. Abstieg über die Eiswand. Bei guten Bedingungen kann hier auch abgefahren/-rutscht werden. Bis zur Hälfte klappt das ganz gut, danach wird’s happig und auch ich baue um. Rückblickend ist dieser Part nicht zu unterschätzen. In unmittelbarer Nähe ist tags zuvor ein tragischer Unfall passiert, wo Skibergsteiger in der Nordflanke abgerutscht und tödlich verunglückt sind – siehe Artikel hier

Ab dem Joch ist die Abfahrt der reinste Genuss, beim Biwak werden die deponierten Sachen im Rucksack verstaut und über den Aletschgletscher (dieses Mal etwas südlicher) und die Seen gelangen wir zurück ins Skigebiet. Christian fährt mit der Seilbahn ab – ich suche einen Weg durchs Skigebiet und brauche nur 300hm zu Fuß absteigen. Zeitgleich erreichen wir das Auto und machen uns an den langen Heimweg.

Fazit

Für netto 24 Std. vor Ort zahlt sich der Aufwand eigentlich nicht aus – egal wie lässig die Tour ist. Mindestens 3 Stunden Autofahrt plus Bahnverlad sind mir persönlich einfach zu viel für so wenig Zeit vor Ort. Trotzdem ist die Tour an sich – wenn auch anspruchsvoller und zeitaufwändiger als vermutet – sehr abwechslungsreich und super. Das Mittelaletschbiwak ist verhältnismäßig komfortabel und eigentlich sich gut als Ausgangspunkt. Beim nächsten Mal würde ich via Dreieckshorn abfahren und Richtung Hollandiahütte oder Konkordiahütte weitergehen, um danach noch andere Gipfel des Berner Oberlands zu besteigen. Lohnende Möglichkeiten gibt es zuhauf!!

Samstag – Zustieg

Sonntag – Gipfel