Tag 16, 7.8.2915 – Aufstieg Rifugio Don Bosco

Nach den Anstrengungen des Alpamayo und einem Ruhetag inkl. Wäschewaschen etc. in Huaraz geht’s nun wieder in die Höhe. Ganz frei ist der Kopf dabei nicht: Abgesehen davon, dass einige Seilschaften in den letzten Tagen aufgrund von Wind & Wetter den Gipfelsturm nicht gewagt haben ist eine dreiköpfige Seilschaft aus Ecuador tödlich verunglückt (allerdings nicht am Normalweg): http://latina-press.com/news/204994-peru-drei-auslaendische-bergsteiger-am-nevado-huascaran-vermisst/

Mit dem Bus fahren wir nach „Mucho“, wo beim Friedhof der Aufstieg zum Rifugio Don Bosco startet. Bis zum Basecamp brauchen wir nur mit leichtem Gepäck wandern, denn Maultiere tragen die schweren Lasten. Anfangs über weiche Hänge wird das Gelände später zunehmend steiler. Das Basecamp liegt wie ein Adlerhorst am Ende der „grünen“ Passsagen und vor Beginn des felsigen Plattengeländes.

Mit den schweren Rucksäcken beginnt nun der abenteuerliche Aufstieg durch unwegsames, teilweise anspruchsvolles II-er Gelände und wir sind froh, auf trockenem Fels unterwegs zu sein. Bei Regen ist dieser Weg definitiv ein Harakiri-Unternehmen. Später wird sich herausstellen, dass es auch andere, leichtere AlternativEN gegeben hätte – aber wer will das schon!?

Mittags erreichen wir das bewirtschaftete Rifugio Don Bosco unterhalb des Gletschers und sind überrascht von der Ausstattung und Sauberkeit dieser Hütte. Das hätten wir hier nicht erwartet. Aufgrund des aktuellen Wetterberichtes entschließen wir uns, morgen das Hochlager 1 auszulassen und direkt zum zweiten Hochlager aufzusteigen.

Tag 17, 8.8.2915 – Aufstieg Hochlager 2

Leider kein Schlaf für Mario auf der gut 4.700m hoch gelegenen Hütte. Dafür können wir einiges an Material (zB Schuhe) in der Hütte deponieren. Zwei Mitglieder unserer Gruppe beschließen, aus gesundheitlichen Gründen auf der Hütte zu bleiben. Im Schein der Stirnlampen wanken wir dem über uns liegenden Gletscher entgegen. Der Weg ist als solches nicht erkennbar – hier und da findet sich ein einzelnes Steinmännlein, aber unsere Guides finden sicher den Weg. Am Ende des Felsteils ragt eine 10m Eiswand vor uns auf, danach wird es wieder flach und wir stapfen in mehreren, kleinen Seilschaften hoch.

Hochlager 1 passieren wir und nähern uns rasch der Schlüsselstelle im Gletscherbruch, die man generell bis spätestens 10:00 Uhr durchquert haben sollte. Nachdem es noch immer dunkel ist ein leichtes Unterfangen für uns. :-) Die Bruchzone ist abwechslungsreich und technisch an einigen Stellen anspruchsvoll. Eine Spalte ist dabei mittels einer drei Meter langen Holzleiter auf allen Vieren zu überqueren. Kopf am besten ausschalten!

Nach der Bruchzone heißt es noch etwas diagonal Queren, rauf & runter und schon stehen wir im Hochlager 2 – auf den ersten Blick eine riesige Gletscherspalte, wo sich die Zelte eng aneinander reihen. Wir schlafen somit auf 5.850m Seehöhe – oder auch nicht ;-)

Tag 18, 9.8.2915 – Huascaran Sud Gipfel 6.768m

Der Plan sieht so aus, dass wir um 01:00 frühstücken und eine halbe Stunde später mit leichtem Gepäck zum Gipfel starten. Natürlich bekomme ich auch heute (trotz leichtem Schlafmittel) kein Auge zu. Der Wind peitscht durch die Nacht und es wird schnell klar, dass der Start jetzt keinen Sinn macht. Zumindest für uns nicht, denn zwei andere Seilschaften preschen kühn vor. Wir beschließen, eine Stunde später nochmals zu schauen, ob das Wetter besser klappt.

Um 02:30 ist es keinen Deut besser, also nochmals hinlegen. Um ca. 05:00 meldet sich Bergführer Franz dann mit dem GO und wir machen uns fertig. Der Sturm hat sich gelegt und wir stapfen dem Huascaran entgegen. Nach ca. 150 hm beginnt der technische Part, der ECHT spannend und eindrücklich ist. Unsere Dreierseilschaft kommt gut voran und bald haben wir diesen Teil geschafft. Danach wird das Gelände flacher und zieht sich elendslang dem Gipfel entgegen. Wir spüren die Höhe, die schlaflose Nacht, die Sonne, einfach alles. Ich habe mich schon lange nicht mehr so fertig und ausgepowert gefühlt. Aber kein Kopfweh, oder ähnliches – also alles gut ;-)

Um 10:30 (sprich nach 5 Std.) stehen wir glücklich und erschöpft am Gipfel. Alle haben es geschafft und wir genießen das surreale Traumpanorama. Insbesondere der gegenüber liegende, etwas niedrigere Nordgipfel (Huascaran Norte) beeindruckt Hammer-mäßig!

Der Abstieg klappt dann umso rascher und wir genießen nochmals die Bruchzone. Aufgrund unsere späten Starts wird nichts aus dem Plan, zum Rifugio abzusteigen und wir bleiben noch eine Nacht im Hochlager 2. Und ja, ich bekomme auch diese Nacht kein Auge zu.

Tag 19, 10.8.2915 – Abstieg & Fahrt nach Huaraz

Wenig schlaf, frühes Frühstück, Material packen und hinunter zum Rifugio Don Bosco. Bei der Bruchzone sehen wir den peruanischen Bergrettern bei der Bergung der drei Leichen aus Ecuador kurz zu und mich befällt ein flaues Gefühl im Magen, als einer der leblosen Körper abgelassen wird. Über der großen Gletscherspalte liegt nun eine zweite Leiter aus Alu, die einen stabileren Eindruck macht.

Beim Refugio wird Mittag gegessen, die Sachen gelüftet und um 12:00 steigen wir über einen der Alternativwege direkt hinunter nach Mucho. So zumindest der Plan. Die Gruppe verliert sich aufgrund der unterschiedlichen Tempi im unteren Teil und so landen wir auf verschiedenen Wegen in Mochu. Irgendwann erreichen aber alle den Treffpunkt, wir fahren mit dem Bus zum nächsten Laden und tanken Bier. DAS haben wir uns nach den Strapazen der letzten Tage jedenfalls verdient! Für unsere Begriffe „liefen“ wir auf den Huascaran (in zwei Tagen mit 3.000+ hm Aufstieg auf max. Höhe 6.768m), alles ging gut und wir sind wohl behalten wieder im Tag angekommen. So gehört sich das!

Am späten Nachmittag kommen wir zum Hotel. Dusche, Trockenheit, Wärme, herrlich!

Tag 20, 11.8.2915 – Ruhetag Huaraz & Abschluss

Lange schlafen, Nichtstun, nachmittags etwas organisierte Folklore. Offizieller Abschluss mit der Mannschaft und Dankeschön. Ohne die Guides, Köche und Träger wäre das gesamte Unterfangen wesentlich aufwändiger und fordernder. Unglaublich, was diese Leute leisten. Überhaupt, wenn man sich gut eingepackt in Daune und Gore-Tex die Ausrüstung dieser Leute ansieht! Ohne das exakte Verdienst-Modell dieser Menschen zu kennen ist klar, dass sie insbesondere auf die Trinkgelder der (Berg-)Touristen angewiesen sind. An dieser Stelle möchte ich den Appell aussprechen, nicht auf diese „Entschädigung“ zu vergessen, denn diese Leute leisten VIEL!

Tag 21, 12.8.2915 – Tagesausflug „Los Banos Termales De Chancos“

Nachdem wir auf den Bergen recht flott waren haben wir einen weiteren „Reservetag“, den wir in Huaraz verbringen. Rund eine Busstunde entfernt befinden sich die heißen Quellen „Los Banos Termales De Chancos“. Hier werden mehrere Thermalbecken sowie heiße „Höhlen“ geboten. Die Höhlen haben um die 50 Grad Celcius und ähneln einem Dampfbad. Jedenfalls eine spannende Angelegenheit und ideal, um die malträtierten Körper zu entspannen. Allerdings sollte man kein Chlor-reines Wasser und 100% westliche Hygienestandards erwarten…

Tag 22, 13.8.2915 & weitere – Transfer nach Lima und Heimreise

Heute ist unser letzter Tag in Huaraz – d.h. die letzte Chance für Souvenirshopping, Marktbesuch und dergleichen. Abends geht’s dann mit dem Nachtbus nach Lima, wo wir Vormittags eine Stadtbesichtigung machen werden. Am Nachmittag bringt uns der Bus dann zum Flughafen, von wo aus wir die Heim- bzw. Weiterreisen antreten werden. 20 Stunden im blau-weißen KLM-Flieger – juhuuu. Zum Glück habe ich ja meine neuen Bose QuietComfort Kopfhörer, die solche Flüge um einiges erträglicher gestalten :-)

Fazit

Peru – es war mir ein Fest!

Höhenbergsteigen ist eine ganz eigene Disziplin und ich bin noch nicht schlüssig, ob mir das gefällt oder nicht. Klar, die hohen Berge üben eine eigene Faszination aus, aber der Aufwand dahinter bzw. Drumherum ist beträchtlich. Zahlreiche Auf- und Abstiege zu den unterschiedlichen Lagern und das Zelten in großen Höhen (inkl. Schlafentzug in meinem Fall) zehren und sind alles andere als Motivations-förderlich. Drei Wochen für zwei Gipfel mit mäßig Höhenmetern und Distanzen sind ein überschaubarer Output. Allerdings wäre es aus Akklimatisationsgründen nicht viel schneller gegangen. Ich bin außerdem froh, bei meiner ersten Expedition dieser Art quasi das All-inclusive Komfortpaket gebucht zu haben. Alleine die Maultier-Transporte sowie das Küchenteam haben das Leben massiv erleichtert.

In der nächsten Zeit wird mental sicherlich einiges passieren und ich bin gespannt, zu welchem Schlussfazit ich komme. Sofern sich jemand für meine Erfahrungen mit den Local Guides sowie dem DAV Summit Club interessiert kann sie/er mich gerne kontaktieren.