Das verlängerte Wochenende ließ sich optimal für Hochtourentage in der Schweiz verbringen. Ich führte im Rahmen einer AV-Tour die beiden Teilnehmer Helga & Harvey durch die spektakuläre Bernina-Gruppe.

1. Tag Hochtour Anreise, Aufstieg zur Tchiervahütte, Akklimatisationstour Richtung Piz Morteratsch ca. 1.5 Std. auf 3000m.
2. Tag Hochtour Piz Roseg bzw. bis Schneekuppe via Eselsgrat, Abstieg über Aufstiegsroute zurück zur Tchiervahütte.
3. Tag Hochtour Piz Morteratsch Überschreitung, Abstieg zur Bovalhütte.
4. Tag Hochtour Fortezzagrat, Piz Palü Überschreitung, Diavolezza Bergbahn, Heimreise

1. Tag:

Anreise mit der Bahn von FK; ab Chur CHF 40 beim Schalter. Günstiger wäre Online-Kauf oder via App gewesen. Treffe in Chur auch Helga und gemeinsam geht’s nach Morteratsch, wo wir Harvey treffen und Richtung Tchiervahütte marschieren. Nach ca. 3.5 Std. Ankunft und Checkin. Die Wirtsleute sind harsch und unfreundlich; die Hütte selber relativ modern. Wir machen eine Nachmittags-Akklimatisationstour Richtung Piz Morteratsch bis zum Beginn des Gletschers. Beim Abstieg machen wir eine Abseilübung kurz vor der Hütte, wo eine lange Kette sowie Stahltritte in der Wand sind.

2. Tag:

Frühstück um 0200 und Aufbruch mit der Stirnlampe. Wir steigen zum Gletscher ab, betreten diesen jedoch zu früh und müssen daher quer durch die Spalten. Dann geht’s durch eine schuttige Moräne und ein wenig Fels einer Seilschaft hinterher. Betreten bei Tagesanbruch den 2. Gletscher, den wir in in einem großen Bogen „umgehen“. Gegen Ende hin wird’s ein wenig steiler bevor wir zum Einstieg des Eselsgrat gelangen. Dieser ist top mit Bolts und Standplätzen abgesichert und ist im 3. Viertel am schwierigsten. Eine wirklich ungute Stelle, bei der auf Reibung gestiegen werden muss – jedoch ebenfalls sehr gut abgesichert. Nach dem Ausstieg aus dem Felsgrat werden wieder die Steigeisen angeschnallt und es geht etwas steiler durch den Firn, dann wechselt sich flach mit steil ab. Die letzten 80hm zur Schneekuppe sind die steilsten und das Eis ist härter.

Am Gipfel der Schneekuppe beschließen wir, den nahen Roseg-Gipfel aus Zeitgründen nicht zu machen, was sich als richtige Entscheidung heraus stellt. Wir steigen schnell zum Rucksackdepot im flachen Teil und weiter zum Grateinstieg. 1x abseilen, Querung und zum Beginn der gut eingerichteten Abseilpiste. 4x abseilen (50m Seil optimal), dann eine Länge zu Fuß über Steigspuren bis zu einem relativ „gepfuscht“ eingerichteten Abseilstelle (2 Normalhaken, 2 Reepschnüre). Von oben gesehen rechts diagonal über die Kante abseilen, denn wenn man frontal abseilt hängt man in einer 5m breiten Randkluft. Rechts der Quarzlinie folgend ging’s gut.

Der weitere Abstieg folgt der Aufstiegsroute über die Gletscher und den Schutt, bis wir um ca. 19:30 nach 16 Std. die Hütte erreichen.

3. Tag:

Nach dem sehr langen vorangegangenen Tag und einiger Unstimmigkeiten in der Gruppe beschließt Harvey, abzusteigen. Helga und ich gehen’s etwas gemütlicher an als Tags zuvor und besteigen nach einem „normalen“ Frühstück um 06:00 den Piz Morteratsch wobei wir über die rechte, steilere Seite aufsteigen, vom Gipfel aus den Biancograt bewundern und über die linke Seite via Normalweg absteigen. Wir überlegen kurz via Spraunza-Grat abzusteigen. Glücklicherweise entschließen wir uns dagegen, sondern folgen der Aufstiegsspur zur Fuarco Boval. Auf der Bovalhütten-Seiten heißt es im 1er/2er Gelände abklettern. Teilweise könnte abgeseilt werden, was wir uns sparen. Nach den Felsen ein Schneefeld und weiter zur Hütte, die wir gegen 15:00 erreichen.

Staunend verfolgen wir den Heli, der eine 4er Seilschaft junger Deutscher aus dem Spraunza-Grat raus holt. Die Bovalhütte ist fundamental anders als die Tchierva. Eher Tagestouristen, weniger Alpinisten, freundliches Personal, gutes Essen, gute Betten mit ordentlichen Decken, usw. Hier lässt sich’s auch länger aushalten!

4. Tag:

Nach einer wirklich geruhsamen Nacht geht’s um 04:15 (leider nicht früher möglich) zum Frühstück. Motiviert steigen wir mit den Stirnlampen Richtung Gletscher und folgen den Steinmännchen durch den zerrissen Teil. Auf der anderen Gletscherseite steigen wir problemlos 150 hm zum kleinen See und weiter über ein steiles Steiglein bergauf. Vorsicht, nicht zu lange links gehen, sondern vorm Morteratschgletscher rechts halten und den Steinmännchen durchs weglose Gelände folgen. Weiter zum nächsten Gletscher und rechts haltend aufsteigen. GPS-Track hält sich links – rechts ist aber besser! Kurzer Schotterteil und erneut über ein Firnfeld zum Fels. Diesen links umgehen, 80hm Firnflanke und zum Einstieg (gelbe Punkte, Bolts) des Fortezzagrat. Diesen problemlos hinauf (Bolts, Abseilstände – die im Aufstieg nicht benötigt werden) bis zum Ende. Steigeisen rauf und weiterer Aufstieg in die Scharte unterhalb des Grats vom Palü-Ostgipfel. Der Grat ist nicht abgesichert, Sicherungen sind nicht notwendig, dafür teilweise gehen am Seil. Im unteren Teil mühsame Wegfindung rechts vom Grat immer gut 30m unterhalb der Gratschneide. Schottriges Absturzgelände – evtl. besser via Gratschneide, zu der man nach ca. 300m auch wieder aufsteigen kann. Danach relativ problemlos weiter bis zum Ende. Wir überschreiten praktisch unbemerkt den Ostgipfel und gelangen wieder in den Schnee, wo wir die Eisen anlegen.

150 hm gehts aufwärts auf den Palü-Hauptgipfel (leider kein Kreuz) und ohne Pause über den Firngrat, der nach links hin wirklich steil abfällt. Kurze Passagen, die wirklich heikel sind (beidseitig pfeift’s scharf hinunter, aber der Schnee hat noch gute Qualität und die Spur ist gut. Wir erreichen kurze Zeit später den Westgipfel, von dem wir ebenfalls über eine Firnflanke und im 2. Viertel von unten kurz durch Schottergelände absteigen. Wohlbehalten erreichen wir das Joch unter den Palüs, wo wir in der Sonne pausieren. Leider hatte es genau am Gipfel und über den Grat böse zugezogen und wir hatten NULL Sicht :-(. Der weitere Abstieg war glücklicherweise gespurt und wir hatten 2 Seilschaften vor uns (1 mit Bergführer), weshalb ich ein besseres Gewissen bzgl. Spalten im Abstieg hatte.

Der obere Teil ist etwas steiler, aber wenig spaltig – diese kommen interessanterweise im unteren Teil, dafür umso spektakulärer mit riesigen Spalten und hauchdünnen, wackeligen Schneebrücken. Es ist spät und ich bin froh, dass wir unbeschadet durch das Labyrinth runter gekommen sind! Der letzte Gletscherteil ist flach und rinnt uns förmlich unter den Füßen davon. Am Ende des Gletschers kommen wir wieder in Schottergelände, wo wir auf eine Seilschaft stoßen, die sich ein lauschiges Zeltplatzerl gerichtet hat. Wir folgen den leichten Steigspuren und Steinmännlein Richtung Diavolezza Bergstation. Kurz nach dem Zeltplatz betreten wir zahlreiche weitere leere Zeltplätze – dürfte ein beliebter „Campingplatz“ dort oben sein. Rückweg zur Diavolezza ist problemlos, Helga bleibt im Berghotel, wo sich unsere Wege trennen und runter geht’s zum Bahnhof Bernina-Diavolezza. Per Autostopp und den letzten Zügen/Bussen retour nach Feldkirch – Ankunft daheim um 00:20 ziemlich geschlaucht, aber happy nach einem langen, spannenden Tourenwochenende :-)