Auf Skihochtour im Berner Oberland

Prolog

Oh du schöne Schweiz… Zum Auftakt der Skihochtourensaison geht’s mit dem Alpenverein ins Berner Oberland. In der beeindruckenden Gletscherwelt ziehen wir unsere Spuren von Nord nach West nach Ost nach Süd. Wenn alles glatt geht, dann statten wir auch dem eindrücklichsten Berge der Region einen Besuch ab: Dem Finsteraarhorn!

Allgemeines

Die Berner Alpen eignen sich über die gesamte Wintersaison bis spät ins Frühjahr optimal für Skihochtouren. Durch die hohe Lage und den einfachen Zugang via Jungfraubahn ergeben sich unzählige Möglichkeiten und das Gebiet ist gut besucht. Aufgrund der Weite verteilen es sich gut und insbesondere am Konkordiaplatz werden dem Besucher die großen Distanzen so richtig bewusst. Zahlreiche bekannte Berge reihen sich hier aneinander: Mönch, Jungfrau, Finsteraarhorn, Fiescherhörner, und viele mehr. Manche mit kurzen Zustieg, manche mit langem, einige einfach zu besteigen, andere anspruchsvoll. Hier kommt jeder auf seine Kosten und es ergeben sich wunderbare Möglichkeiten für Mehrtages-Durchquerungen. Wer früh in der Saison dran ist kann auch gut in eines der westlichen oder südlichen Täler abfahren, oder von hier aus zusteigen. Die südlichen Zustiege sind jedoch lang und flach. 

Zahlreiche Anbieter vermarkten ihre Touren auch als „Berner Haute Route“. Diese gibt es allerdings nicht im eigentlichen Sinn, sondern es handelt sich dabei mehr um einen Marketingbegriff. Meist wird bei den Angeboten via Jungfraubahn bequem aufgestiegen und im Anschluss auf der Hollandia-, Konkordia- und Finsteraarhornhütte genächtigt. Die Wege dazwischen sind flexibel. 

Bzgl. Planung sollte man sich darüber im Klaren sein, dass es sich durchwegs um hochalpines, vergletschertes Gelände handelt, wo an den meisten Tagen in der Skisaison Lawinenwarnstufe 3 herrscht. Bedeutet: frühe Starts und angepasste Routenwahl, die entsprechende Erfahrung in der Beurteilung voraussetzt. 

Anreise

Wer unterschiedliche Start- und Zielpunkte plant wird die öffentlichen Verkehrsverbindungen der Schweiz schätzen. Die meisten Seilschaften kommen von Norden und parken das Auto bereits in Interlaken. Diejenigen, die im Norden starten und mit Ski auch hierher zurück kehren, können in Grindelwald-Grund parken. Man beachte: Der Rückweg über die Gletscher zum Jungfraujoch zieht sich gewaltig in die Länge – insbesondere bei warmen Frühjahrstemperaturen! Wer nach Süden abfährt kommt in ca. 2 Std. bequem per Bahn/Bus nach Interlaken zurück. Achtung auf die Buszeiten in den Tälern zu Saisonende!

Übrigens: Wer mit der Jungfraubahn auf- und wieder abfährt sollte sich überlegen, ob er nicht gleich eine Halbtax-Karte für 1 Jahr löst. Damit können alle Schweizer Öffis (inkl. innerstädtisch!) zum halben Preis genutzt werden. Zusätzlich gilt die Karte für zahlreiche Schiffahrts- und Seilbahn-Angebote!

1. Tag: Jungfraujoch – Louwihorn (3.777m) – Hollandiahütte

Für unsere Skidurchquerung von Nord über West nach Ost und schlussendlich nach Süd parken wir das Auto bereits in Interlaken Ost, da hier die Züge von Süden her stehen bleiben. Weiter geht’s mit der Bahn über Wengen zur kleinen Scheidegg (ist schneller als via Grindelwald-Grund), wo wir die imposanten Nordanstiege bestaunen. Eiger Nordwand, Mönch Nollen – alle stehen sie hier aufgefädelt. Immer wieder lustig sind die ausländischen Touristenmassen aus Indien und Asien, die sowohl die Bahn wie auch Station mit ihren Smartphone-Cams stürmen. 

Rasch erreichen wir das Jungfraujoch, wo wir erst mal ordentlich durchschnaufen. Die große Höhendifferenz fordert regelmäßig ihren Tribut. Wir schnallen die Ski an und queren unterhalb von Jungfrau und Rottalhorn zum Anfellpunkt. Rund 350hm geht es nun hoch zum Louwitor und ca. 150 weitere Höhenmeter sind es zum gleichnamigen Gipfel: Louwihorn. 

Leider wird die Sicht immer schlechter und so sind wir dankbar für die alten Spuren, die uns den Weg über den Kranzbergfirn Richtung Aletschfirn weisen. Sollten keine Spuren vorhanden sein: Tendenziell von oben gesehen immer links bleiben! Ãœber den Aletschfirn geht’s zu guter letzt geradeaus zur Hollandiahütte, die bereits von weitem sichtbar ist. Der Weg zieht sich allerdings und die meisten Höhenmeter werden am Schlusshang gemacht. 

Die Hütte liegt oberhalb der Lötschenlücke, durch die alternativ ins Lötschental abgefahren werden könnte. Das Hüttenteam inkl. Verpflegung und Zimmer sind 1A und die Aussicht ist grandios. Absolute Empfehlung!

2. Tag: Hollandiahütte – Mittaghorn (3.892m) – Konkordiahütte

Nachdem einem aus unserer Gruppe die Höhe über Nacht ziemlich zu schaffen gemacht hat und aufgrund der schlechten Verhältnisse für die Ostabfahrt der Äbeni Flue verwerfen wir den ursprünglichen Plan (Besteigung von Äbeni Flue und Kranzberg). In der früh ahnen wir noch nicht, dass dies eine der besten Entscheidungen der ganzen Tour sein wird!

Zu viert machen wir uns mit Tagesgepäck auf den Weg zum Mittaghorn und schauen den Massen zu, die sich langsam Richtung Äbeni Flue schieben. Für uns geht’s bald links hoch zur Einsattelung unterhalb des Mittaghorns – noch vor dem markanten Felsteil. Hier werden die Ski geschultert und wir können ohne Steigeisen problemlos den Ãœbergang meistern. Bei einer Stelle sichern wir zur Sicherheit mit dem Seil für wenige Meter – was nicht unbedingt notwendig wäre. Der Fels ist hier recht abdrängend – überhaupt mit Ski am Rücken – und das Gelände unterm A…h einigermaßen ausgesetzt. 

Nach dem Felsteil schnallen wir die Steigeisen an und wechseln Skistock gegen Pickel. Es folgt Stapferei in ca. 40°-Gelände – je nach Bedingungen mit kurzen härteren Passagen. Am vermeintlichen Ende des Grats erkennt man dann den Gipfel, der noch ein kleines Stück auf der hinteren Seite des „Kessels“ liegt. Dieser ist unschwierig in wenigen Minuten erreicht. Das Panorama Richtung Norden & Westen ist für Berner Verhältnisse ungewohnt. 

Wir können die Ski direkt am Gipfel anschnallen und fahren als erstes in den direkt darunter liegenden Kessel ab. Die Schneeverhältnisse sind anfangs hart und werden rasch besser. Es folgt der Ãœbergang in den Gletscherbruch, der dann so richtig imposant ist. Mit so einer tollen Abfahrt hätten wir im Traum nicht gerechnet! Ãœber den Anungletscher ziehen wir die ersten Spuren im Firn bis wir auf ca. 2.700m im „Talboden“ die Aufstiegsspur aus dem Lötschental hoch zur Hollandiahütte erreichen. Der Hüttenaufstieg sind dann gute 550hm, wo wir die Eindrücke der einmaligen Abfahrt nochmals in Ruhe verarbeiten können. 

Auf der Hütte gibt’s ein warmes Süppchen zur Regeneration und wir laden die leeren Energiespeicher nach. Nachdem die Rucksäcke umgepackt sind schnallen wir wieder die Ski an und fahren zum Konkordiaplatz. Wir stellen die Bindungen auf Skating-Modus und nähern uns rasch den Stiegen, die hoch zur Konkordiahütte führen. Ãœber ca. 470 Metallstufen gelangen wir zur Hütte und können während des kraftzehrenden Aufstiegs auch Teile der alten Holzleitern bestaunen. Wir sind dankbar, dass die Schweizer hier ordentlich saniert haben und der Aufstieg heute problemlos und sicher ist. 

Das Ausblick von der Hüttenterrasse über den Konkordiaplatz und die umliegende Gletscherwelt ist phänomenal und muss man selbst einmal gesehen haben!

3. Tag: Konkordiahütte – Fieschersattel – Hinteres Fiescherhorn (4.025m) – Finsteraarhornhütte

Auch der heutige Tag hält wieder eine Ãœberraschung für uns bereit, denn heute geht es mir nicht allzu gut und ich spüre die Erkältung, die ich mir vor der Abreise eingefangen habe deutlich. In reduzierter Geschwindigkeit arbeiten wir uns zum Fieschersattel vor. Unterhalb des Ãœbergangs legen wir die Steigeisen an und folgen den vorhandenen Spuren. Der Ãœbergang von Schnee zu Fels ist für ca. 10m etwas unangenehm – es kann aber vom Vorsteiger mittels Seil an Schlingen-Standplätzen gut nachgesichert werden. 

Vom Fieschersattel aus hätten wir gerne das Große Fiescherhorn gemacht, was aufgrund der vorangeschrittenen Tageszeit und meiner körperlichen Verfassung keinen Sinn macht. Daher weichen wir aufs Hintere Fiescherhorn aus, das wesentlich einfacher und kürzer erreichbar ist. 50m unterhalb des Gipfelaufbaus machen wir Skidepot und erreichen mit Steigeisen unschwierig den Gipfel. Zurück geht’s über denselben Weg und wir freuen uns auf die folgende Abfahrt im linken Teil des Walliser Fiescherfirns bis unterhalb der Finsteraarhornhütte. Auch diese Abfahrt gehört zu den Highlights der Tour!

Unter der Hütte fällen wir nochmals auf und gehen bis zum Skidepot am Wandfuß der Hütte. Auch diese Hütte liegt toll, wurde vor einigen Jahren umgebaut und bietet Komfort, Panorama und hervorragende Verpflegung. 

4. Tag: Finsteraarhornhütte – Großes Wannenhorn (3.906m) – Fieschertal

Nachdem wir jetzt schon jeden Tag etwas anders gestaltet haben, müssen wir das natürlich auch am letzten Tag unserer Reise machen ;-)

Aufgrund des Wetterberichts (Föhnsturm) und der Empfehlung des Hüttenwirts (auch aufgrund der Bedingungen: wenig Schnee am Gipfelanstieg) planen wir um. Das Große Wannenhorn soll es werden – inklusive Materialdepot im unteren Teil, damit die Rucksäcke leichter werden. Wir kommen bis zum Ende der Rampe und noch ein gutes Stück weiter – die letzten 100hm bleiben uns allerdings verwehrt, da der Gipfel in dicken Wolken ist und die Sicht oben null wäre. Ãœbrigens beobachten wir während des gesamten Aufstiegs das gegenüber liegende Finsteraarhorn, wo sich heute tatsächlich niemand hoch bewegt und am Grat (sofern er durch die Wolken blitzt) gut die Windfahnen zu sehen sind. Gut, dass wir  auf dieser Seite sind….

Für die Abfahrt wählen wir eine etwas ambitioniertere Route und ziehen unsere Spuren im (von oben gesehenen) rechten Teil der Rampe. Wir können es selbst kaum glauben und treffen auf wunderbaren Pulverschnee – und das Ende April! Weiter unten queren wir den Hang, wo die Verhältnisse direkt in Frühjahrsfirn übergehen. Beim Materialdepot jausnen wir, packen die Rucksäcke und machen uns für die weitere Abfahrt über den gefühlt endlosen Fieschergletscher bereit. Dieser ist auch ein absolutes Schmankerl und führt in spannender Weise bis zu einem Kraftwerk-ähnlichen Bauwerk am Ende. Hier ist dann tatsächlich Ende-Gelände.

Wir montieren die Ski auf den Rucksäcken und wandern über Forschstraße und Wanderwege im Grünen hinunter ins Fieschertal. Skurrilerweise vorbei an einer modernen Materialseilbahn, die jedoch leider nicht in Betrieb ist. Im Ort „Zer Flie“ verpassen wir leider knapp den Bus, was aber nichts macht, denn der nächste kommt eine halbe Stunde später und das gibt uns Zeit, uns zu sanieren, umzupacken, beim Wasserbrunnen zu erfrischen und beim gegenüber liegenden Gasthof auf Kaffee & Kuchen einzukehren. Ãœbrigens haben wir Glück, denn bereits einen Tag später stellt sich der Fahrplan um und wir hätten dann eine deutlich schlechtere Verbindung. Fahrplan-Check im Vorfeld macht sich also jedenfalls bezahlt!

Mit Bus und Bahn geht’s im Anschluss zurück nach Interlaken und mit dem Auto heimwärts. 

Fazit

Egal ob im Sommer oder Winter: Das Berner Oberland ist immer eine Bergfahrt wert! Der Zugang via Jungfraubahn ist leider kostspielig, dafür aber sehr komfortabel. Das Panorama auf die umliegende Bergwelt ist atemberaubend und es öffnen sich Tourenmöglichkeiten, die keine wünsche offen lassen. Auch Hütten-mäßig ist das Gebiet gut erschlossen. 

Die Beschriebene Durchquerung gehört insgesamt zu den mittelmäßig ambitionierten Unternehmen – zumindest, wenn man sich die Schwierigkeiten ansieht. Wer es anspruchsvoller möchte kann z.B. das Große Fiescherhorn sowie das Finsteraarhorn anhängen. 

Éjק

Region:   Berner Oberland, Schweiz
Unterkünfte:   Hollandiahütte (SAC), 3.240m
Konkordiahütte (SAC), 2.850m
Finsteraarhornhütte (SAC), 3.048m
Höchster Punkt:   Finsteraarhorn, 4.273m
Berge:   zahlreiche bekannte 4.000er mit Gletscherkontakt.
Beste Zeit:   ganzjährig

 

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